Die Produktionen

Vielleicht wird dem ein oder anderen von Euch dies als „19 Zoll- Gesabbel“ vorkommen. Ich werde mich bemühen die technischen Details möglichst knapp zu halten. Wir haben uns in den Studios der Nation den Arsch aufgerissen und unseren Job wirklich ernst genommen. Zu jeder Phase gibt es natürlich auch aus den Produktionen ne Menge Storys, seit Euch sicher Spaß hatten wir neben all dem Stress und den unzähligen Nachtschichten ohne Ende. Oberste Premisse war immer möglichst viel Zeit, gleichbedeutend mit kreativer Freiheit, für unsere Kohle zu bekommen um die beste, durchgedrehteste Platte, die möglich war, zu produzieren. Dabei sind Produktionswege der skurillsten Form herausgekommen. Gott sei Dank hat´s immer geklappt, hätte allerdings auch das ein oder andere Mal schief gehen können. 

 

Electric Lüdeland:

Der Kram ist Live mit einer 8 Track Tascam wärend unsere ersten eigenen Tour durch 100- 150er Clubs aufgenommen worden. Bei dem Caos ist es mir bis heute ein Rätsel wie da überhaupt was aufs Band gekommen ist. Einige Tracks kommen von der sagenumworbenen Show in Berlin unter der S- Bahn. Einige aus dem „Römer“ in Bremen usw. Drums auf 2 Spuren runtergemixt, Bass, Gtr Tex, Gtr. Lüde, Lüdes voc und 2mal Chor. Es gab in der Postproduction keine Overdubs. Aber ne fette lange Mixsession im gerade erbauten Studio Harderberg. Ich erinnere mich gut daran, dass ich mich notgedrungen totgeschraubt habe, um irgendwie Sound aus dem Gescherbel rauszuholen. Am Ende klang es richtig gut. Die Gitarren klang durch Tex Gretsch sehr schrill, also 1,5 khz lastig, aber dadurch hatte der Bass schön viel Platz. Das Master habe ich Jahre später noch mal angehört und war echt begeistert. Leider habe ich mich bei der Überspielung bequatschen lassen und Bassfrequenzen wieder gecutted ( ich glaube so bei 60 Hz ) wodurch die Platte zu dünn klingt. Ich habe mich noch jahrelang darüber geärgert. Electric Lüdeland ist für mich die autentischste Lüdeplatte, rau, schräg, klasse Songs, super Cover und hey, Phil Spector hatte auch keine 32 Spuren, Computermix und so´n Dreck. 

 

Phantom Strip:

Wie Lüde schon erzählt hat, hatte ich Zugriff auf das „Studio Harderberg“. Ein Relikt aus der Mitte der 70er: eigene Produktionsmittel bedeuteten musikalische Freiheit. Ideal für uns, da es auch in G.M.-Hütte lag und wir immer zu Stand- By- Zeiten dort reinkonnten. Wir haben mit einer 2 Zoll 16 track „Cadey“ ( eine Comp. aus GB ) , die wir von Wiegbert Pieper ( in Fachkreisen auch „Drehbert“ genannt) gekauft hatten. Wiegbert hat mir ne Menge beigebracht, ein unheimlich cooler Typ, mit ner Menge 70er know how und noch heute sehr abgefahrener Pereferie: alte Flanger, Plattenhallgeräte... Die Maschine hatte ihr absolut eigenes Leben. Jede Spur klang anders und hatte ihren eigenen Level. Sie mußte mit dem Gegenlauf gebremst werden bevor man das Band stoppen konnte, sonst gab´s 2Zoll Salat. Aber ich habe sie geliebt, die kam halt aus England und klang , wenn man wusste wie, fett ( 16 Spuren auf dem dicken Band ).

Phantom Strip ist natürlich komplett Live eingespielt. Nach den Aufnahmen der backings ging allerdings die Spielerei los. Wow, wir hatten jede Menge Spuren frei und konnten alles ausprobieren. Ich hatte eigentlich keine sehr konkrete Vorstellung wie sich das Album anhören sollte, was dazu führte , dass wir zum Teil jede Menge komische Sounds aufs Band geballert haben. Sie stehen zum Teil sehr weit hinten im Mix, aber hört mal genau hin, da sind richtig durchgeknallte Geräusch drauf ( z.B. meine süße Vox Continental 2 Orgel). Wir spielten hauptsächlich Fender und Ampec Amps.

Electric Lüdeland erschien im Frühjahr und verkaufte in den ersten 14 Tagen die komplette Auflage. Leider hatte Onkel Alfred Hilsberg dann mal wieder keine Kohle mehr. Wir haben dann ein paar Tausend Mark aufgetrieben und nachgelegt aber dann gingen uns auch die Asche aus und das wars dann für Electric Lüdeland. Wir beschlossen darauf noch im gleichen Jahr „Phantom Strip“ zu veröffentlichen u.z. auf unserem eigenen Label „Weltall“. Lüde schrieb einen Text nach dem anderen. Also 2 Alben in einem Jahr. Wir wollten unbedingt unser erstes Studioalbum rausbringen. Die Band hatte sich rasend schnell entwickelt und das wollten wir natürlich auch rausbringen. Im Herbst erschien „Phantom Strip“ im SPV Vertrieb.

 

Wildes Herz:

Schwer nach zu vollziehen, was wir wann genau wo getan . Einige Tracks stammen noch aus der „Harderberg“- Zeit, die später im Preußentonstudio überarbeitet wurden. Zwischendurch brachten wir die Harley Single vertrieben über die Harley Davidson Shops raus. Die Fassung auf der Single ist natürlich eine andere , wie die auf der LP. Die Singleproduktion war uns zu lahm und schlapp. „Wildes Herz“ ist der Einstieg ins wirkliche Profi- Bastel- Produktionslager. Wir hatten endlich eine fette Plattenfirma mit einem brillanten , uns zu verstehendem Team gefunden und wollten die beste Platte unseres Lebens machen. Durch Dirk Felsenheimer hatten wir Hoffmann und seine Preußentoncrew kennen gelernt und ich brauchte dringend Unterstützung. Bass spielen, Engeneeren und Produzieren war defintiv zu viel. Hoffe war ein lockerer und cooler Typ. Er , Schneeberger und später Pee Wee Kaleve ( wir nannten ihn so, da er aussah wie Pee Wee Herman) halfen nach besten Kräften mit. Berlin war zu dieser Zeit gut zu uns mit all den Kumpels und ohne Sperrstunde. Die Linernotes auf dem Innencover sagen so einiges. Die Marshallzeit war angebrochen. Lüde hatte sich eine Klasse Sammlung amtlicher Gitarren und Amps zugelegt. Darunter eine Firebird, Mosrite und eine Les Paul Gold Top. Die meisten Gitarren hat er eingespielt. Tex war absolut kein Studiotyp ( so begnadet wie er auch live war). Wir wollten unbedingt R & R –Bundesliga spielen und ich denke ich habe ihn vielleicht zu sehr unter Druck gesetzt und unsere Ansprüche entsprachen dann später nicht mehr seinem Punkrock Bewusstsein ( was dann ja auch u.a. später zum Split führte). Heutzutage scheiden sich die Geister, ob das alles so der richtige Weg war, aber damals waren wir ( oder zumindest ich) wie besessen unsere Sache so gut wie möglich zu machen.

Es war super modern die Drums nächtelang zu editieren und durch Samples zu ersetzen, was wir absolut unrockig fanden. Ähnliches galt für die Gitarrensounds: während wir mit unzähligen Mikrophonen und Marshallstacks rumhantierten wurde uns nahegelegt das Prozedere doch abzukürzen und doch den kleinen Kofferverstärker zu benutzen. Gut das wir nicht darauf gehört haben.

 

Denn sie wissen was sie tun:

Tex wurde ersetzt durch Chris und Gary. Beide waren federführend mit „Weird Kong“ bzw. „Stone Cold Crazy“ unterwegs, die ich für „Ruff & Roll Rec.“ produziert hatte. Die Backings sind live eingespielt in der Halle ( heute Tor3) in der wir jahrelang unser Lager aufgeschlagen hatten. Die Drums klangen völlig wahnsinnig. Eine 9 Meter hohe, runde Decke und Holzfußboden machte es möglich. Das ganze war nicht beheizt und es gab leider auch ein paar kleiner Problem mit Ratten. Unsere Idee war das Equipment zusammen zu leihen bzw. an zu mieten. Der Hiwi von Peter Wolfs „Audio Rent“- Company war scheinbar so geschockt, dass ich den Kollegen sofort am Telefon hatte. Er machte sich ernsthafte Sorgen um seine nagelneue 24 Spur Otari. O.k. manchmal regnete es ein bischen durch und überall lagen Autoteile rum, am Ende wollte er wohl doch nicht auf seine 12 000.—DM Miete verzichten. Für die Overdubs hatten wir ein sehr kleines aber feines Studio in Neuköln gemietet. Thomas Funk ist für mich nach wie vor einer der besten Stuidotechniker. Ich habe selten ein leiseres Pult gehört und die Mikrophonsammlung war grandios. Ideal für uns zum werkeln. Wir hatten relativ viel Zeit, so daß Gary und ich ( wir hatten schon hart an der Stone, Cold, Crazy- Produktion gearbeitet ) hier nächtelang die unglaublichsten Gitarren Overdubs aufnahmen. Wie ich finde hört man das auch, und ehrlich gesagt bin ich nach wie vor ein bischen stolz darauf. Was seine Gitarrenkünste angeht brauche ich niemandem was erzählen, der Mann war damals auch schon „Hammer“. Bis auf die manchmal etwas genervten Mitbewohner im Haus, verschwamm die restliche Welt um uns rum. Ich habe damals während der Produktion meinen eigenen Geburtstag vergessen. Das Ende der Session wurde überschattet von einem Todesfall in Lüdes Familie. In diese Zeit fällt auch Sigurts Tod, an den ich oft denke und dessen Bild hier nach wie vor an der Wand hängt. Gemixt wurde dann aber wieder im Preußenton mit dem besagten Pee Wee. Ab und zu höre ich noch, er hat dies oder das produziert und drücke heimlich die Daumen, aber wahrscheinlich ist er schon längst reich und berühmt.

 

Die Hölle auf Rädern:

Die Jungs hatten darauf bestanden , dass ich dieses mal die Finger von den Reglern lassen sollte. Viel mir wirklich schwer, aber sie hatten natürlich Recht. Meine Anspannung bei den Produktionen übertrug sich schnell auf die Stimmung der anderen. Das Studio von Rolf befand sich mitten im Wald in alten Containern. Bis auf die Vocals ist alles in einem Rutsch live eingespielt, also 10 Stunden täglich Bass rocken. Es ist die einzige Lüdeplatte auf der ich meine Bässe o.k. finde. Es zeigt mal wieder deutlich, dass das ganze Geschraube bullshit ist. Es kommt wirklich auf´s Musik machen an. Am Ende des Tages nützen Dir die vielen 19zoll Gespräche und der große Gaffaschein maximal 30%.